Die causa Peter Müller
Seit 19. Dezember 2011 ist Peter Müller Bundesverfassungsrichter, und keiner hat‘s gemerkt. Das liegt zum Teil sicher auch daran, dass uns alle die Finanzierung eines Klinkerhauses in Großburgwedel viel zu sehr beschäftigt hat. Ein raffinierter Schachzug der Medienkampagne der Union, das kann man wohl auch ohne Verschwörungstheorien zu bemühen getrost so sagen.

Denn das Thema Peter Müller ist viel umfangreicher und kritischer, als der bisher schon so häufig kritisierte Einfluss der politischen Parteien auf die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts. Dass über das Zugeständnis des Parteienproporzes und damit das Vorschlagsrecht der großen politischen Parteien für Posten am Bundesverfassungsgericht durch Auswahl genehmer Kandidaten massiv auf die Meinungs- und Stimmungslage im Bundesverfassungsgericht eingegriffen werden kann, ist schon lange kein Anlass mehr für Aufregung und hitzige Debatten. Dass dies regelmäßig zu einer Einflussnahme der Legislative und Exekutive in die Interessenssphäre der Legislative führt, wird auch nur noch äußerst selten als Problem für die Gewaltenteilung, die ja gerade auf der strikten Trennung dieser drei Gewalten basiert, aufgefasst.

Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Peter Müller ist nicht nur auf Vorschlag der Union in sein Amt gekommen, er war auch bis zum 9. August 2011 noch Ministerpräsident des Saarlandes, und damit Vertreter der Exekutive. Ich will jetzt gar nicht weiter in die Waagschale werfen, dass er (auch das eine Eigenart des deutschen politischen Systems) vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 Präsident des Bundesrates und damit oberster Vertreter eines der Organe der Legislative war. Aber es ist doch bezeichnend, mit welcher Schamlosigkeit Politiker hier ihre Pfründe wahren und sich ohne Einhaltung wenigstens moralisch erwartbarer Karrenzzeiten (wenn es schon keine rechtlichen Vorgaben gibt) zwischen den verschiedenen Staatsgewalten bewegen.

„Was ist nun das eigentliche Problem?“, mögen einige Fragen. „Als Ministerpräsident und Jurist ist er doch bestens auf das Amt vorbereitet.“ Ich will Müller seinen Sachverstand in juristischen und politischen Fragen nicht absprechen und auch seine vierjährige Tätigkeit als Richter an Amts- und Landgericht mag genügen, um am Bundesverfassungsgericht sinnvolle und gute Arbeit zu leisten, aber sein direkter Übergang in die Legislative und seine persönliche Nähe zur Macht machen ihn anfällig für Freundschaftsdienste und Erpressungsversuche. Außerdem kann es, wenn es hart auf hart kommt, passieren, dass Müller als Bundesverfassungsrichter (Judikative) darüber entscheiden muss, ob ein Gesetz, das er als Ministerpräsident (Exekutive) mit erarbeitet und umgesetzt und als Bundesratspräsident (Legislative) mit verabschiedet hat, verfassungskonform war. Und wer könnte von ihm verlangen, in einem solchen Fall „nein“ zu sagen? Hier findet sich in einer Person eine massive Überschneidung von Interessen aller drei Gewalten. Die Gewaltenteilung, die einer der wichtigsten Grundpfeiler unserer parlamentarischen Demokratie ist, wird durch diese Personalie massiv gestört und damit wird auch unsere Verfassung von den Politikern, die Müller vorgeschlagen und gewählt haben, untergraben und mit Füßen getreten.